Dörte

„Das ist ja nicht so gut…“

Dörte reckt ihre Arme in die Luft und macht Hamstergeräusche. Im Schneidersitz auf dem Küchenstuhl sieht das wie Yoga aus. Ihre kleinen festen Brüste drücken sich durch das Oberhemd, das ich ihr zum Überziehen gegeben habe. Das Hemd spannt sich ziemlich, denn Dörte ist um einiges größer als ich. Bestimmt 30 cm. Horizontal relativiert sich ja sowas, aber wie sie da jetzt so sitzt, ist es doch ein deutlicher Unterschied.

Ich rühre in meinen Kaffee und wirble kleine Krümel auf. Ich müsste mal eine neue Bodumkanne kaufen, die alte hats hinter sich. Da kannst du auch gleich türkischen Kaffee machen. Mache ich sonst auch. Nur wenn Besuch da ist, wird die Bodumkanne von Regal genommen. Die meisten mögen keine Kaffeekrümel in der Tasse. Wenn sich die kleinen Biester dann auch noch zwischen den Zähnen verfangen, umso schlimmer. Gerade für Frauen. Die sind da eitel.

Ich blicke hoch und betrachte Dörtes Körper.

Die essen ja auch tagelang nichts, wenn es keine Möglichkeit gibt, sich zwischendurch die Zähne zu putzen. Aus Angst, sie könnten zum Beispiel beim Flirten ihren Gegenüber mit einem Ruccolalächeln in die Flucht schlagen. Und den Döner immer ohne alles. Ohne Zwiebeln, ohne Soße, ohne Fleisch. Könnte ja Mundgeruch geben und falls man später doch Knutschen möchte… Warum bestellen sie dann nicht einfach eine Packung Air Waves?

Ein Kumpel aus Pubertätstagen hat mir mal eingetrichtert, dass ich niemals versuchen soll, eine Frau am Morgen zu küssen. Zumindest nicht, bevor sie im Bad war. Ich solle stattdessen, wenn ich aufgewacht bin, das Bett verlassen und abwarten, bis sie von selbst kommt.

„Frauen sind da sehr eigen und mit sowas verschreckst du sie!“ hat er damals gesagt. Er war schon älter und hatte einige Erfahrung mit Frauen, nehme ich an. Ich hab mich daran gehalten. Frage mich aber, ob er wirklich Recht hatte. Von ihm war auch der Tipp, zwar bestimmt, aber doch zärtlich im Bett zu sein. Und auf keinen Fall egoistisch.

„Und bloß nicht klammern, auch wenn du dich verliebt hast!“
Diese Regel schien meinem Kumpel die wichtigste zu sein.
„Damit scheuchst du die Frau direkt in die Arme des nächsten! Sie sehnen sich zwar nach Geborgenheit, aber wenn du ihnen zu dicht auf die Pelle rückst, dann werten sie das als Schwäche und du bist in ihren Augen dann der, der die Geborgenheit mehr braucht!“ Also Desinteresse vortäuschen?

„Najaaaaaaaaaaaaa…“ leitet er seinen nächsten väterlichen Rat ein, „im Endeffekt hast du so oder so schlechte Karten. Als Mann verlierst du das Spiel immer. Du kannst nur versuchen, wenigstens ein paar Stiche zu machen und deine Karten so clever wie möglich zu legen. Aber verlieren wirst du auf jeden Fall.“

Aber es gibt doch so viele glückliche Pärchen?! Harmonische Beziehungen, Eheleute, die auch im hohen Alter noch Hand in Hand durch die Straßen laufen. Die haben doch gewonnen?

„Du meinst diese Pärchen, von denen man so oft hört und die im Fernsehen und den Illustrierten gezeigt werden und jedes Mal einen Seufzer beim Betrachter verursachen? Hast du die schon einmal im echten Leben getroffen? Das, mein Lieber, ist die subtile Motivation für dieses Spiel. Wie bei den Hütchenspielern am Alex. Wo der eine immer 100Mark gewinnt. Das weckt Hoffnung. Wenn du selber spielst… Pech.“

Wozu dann die ganze Mühe? Wenn ich sowieso schon verloren habe? Wozu sollte ich dann noch spielen wollen?

„Das ist der springende Punkt, mein Bester! Hast du den freien Willen, darüber zu entscheiden? Sowohl im Glauben als auch in der Naturwissenschaft gibt es diesen freien Willen gar nicht. Bei den einen ist es Vorherbestimmt und wird mit Liebe umschrieben, bei den anderen sind es biochemische Abläufe und man redet von Trieben oder von hormongesteuerten Instinkten. Du hast quasi keine Wahl.“

Aber ist es denn für die Mädchen nicht auch langweilig, wenn sie immer gewinnen? Wo bleibt der Kitzel? Die Spannung?

„Für die Frau geht es nicht um das Spiel, das beherrscht sie. Für die Frau geht es um den Gewinn. Du wirst ihr Preis sein und sie wird dich am Ende nach ihren Vorstellungen umformen. Jetzt bewundert sie deine raue Art, deinen großen Freundeskreis, deinen Mut und deine abenteuerliche Seite. Nach dem Spiel wirst du genau das alles verlieren. Mal wird es Streit geben, mal wirst du aus freien Stücken Einschränkungen vornehmen. Aber du wirst dich ändern. Du hast nur die Möglichkeit, gegen das für deinen Geschmack hübscheste Mädchen zu verlieren. Gegen eine, bei der du die wenigsten Probleme mit solchen Veränderungen hast. Deshalb rate ich dir: spiele so oft wie möglich, präge dir die verschiedenen Spielzüge ein und achte auf die Hütchenspielertricks. Sie können aufreizend sein, verständnisvoll, sie hören dir zu, loben dich und doch dient das alles nur ihrem nächsten Spielzug. Genieße das Spiel – aber sei auf der Hut!“

„Und wie ging es dann weiter?“
Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch. Dörte nippt an ihrem Kaffee und wartet auf eine Antwort.

„Schach,“ sage ich, „du hast da was zwischen den Zähnen!“.
Armes Ding