Simone

„Das ist ja nicht so gut…“

Simone hockt mir gegenĂŒber am KĂŒchentisch, ihre Arme umschlingen ihre Beine und ihr Kinn stĂŒtzt sich auf die Knie. Fast mitleidig schauen mich ihre hellblauen Augen an, die feinen Augenbrauen bilden an der Nasenwurzel eine Falte. An ihrem linken Unterarm prangt eine ziemlich große SchĂŒrfwunde und ihre Schienbeine sind ĂŒbersĂ€t mit kleinen blauen Flecken.
Unser kleines spontanes Fußballmatch im Volkspark gestern hat seine Spuren hinterlassen. Ihre Freundinnen und sie lagen faul auf ihrer Picknickdecke und unser 6ter Mann fĂŒr „3 gegen 3“ kam nicht.
Wir waren 5, die waren 5, es war nicht zu heiß und genug Platz war auch.
So forderten wir die MÀdels heraus. Gespielt wird, bis die erste Mannschaft 10 Tore hat, dann ist Seitenwechsel. Die Tore sind RucksÀcke und Jacken, exakt 5 Schritte auseinander. Das Feld selbst wird dann mit 15 mal 30 Schritten abgemessen. Wir spielen mit fliegendem Torwart und ohne Mittellinie. Auch wenn die gegnerische Mannschaft nur aus weiblichen Spielern besteht, werden keine Punkte verschenkt.
Ist ja im echten Leben nicht anders.
Da wollen die Damen ja auch ĂŒberall mitmischen und gleichberechtigt die Toppositionen besetzen. Von mir aus. Dann mĂŒssen sie aber auch die gleichen Regeln aushalten. Das Gesetz der Wildnis – der StĂ€rkere ĂŒberlebt. Ist ja da draußen in der Steppe auch nicht so, dass der Löwe, zum Beispiel, denkt: „Oh, das Gnu da vorne ist ja ein MĂ€dchen, dann werde ich ihr mal etwas Vorsprung geben und nachher nicht so fest zubeißen. Vielleicht fresse ich auch nur ihren Schwanz oder ein Ohr, ist ja schließlich eine Frau.“
Nein… der Löwe jagt seine Opfer immer gleich. Egal ob MĂ€nnlein oder Weiblein.

Oder im Krieg. Wenn die MĂ€dels unbedingt zur Bundeswehr wollen, meinetwegen. Dann mĂŒssen sie aber auch damit leben, dass die feindliche Kugel nicht nach Geschlechtern unterscheidet. Dem Geschoss ist es herzlich egal, ob das jetzt ein weiblicher Kopf ist, dessen Gehirn ĂŒber dem Schlachtfeld weitrĂ€umig verteilt wird. Das Geschoss hat nur den Treffer im Sinn. Gradlinig und mit tödlicher PrĂ€zision. Man kann ja jetzt wegen der Frauen auch nicht alles umkrempeln. Die Bundeswehr aufteilen. Die MĂ€nner mĂŒssen an die Front, sich die Ärsche wegschießen lassen und die Damen bleiben in den Kasernen und werden eingesetzt, wenn zum Beispiel Bayern sich von Deutschland abspalten will oder uns DĂ€nemark angreift. Wobei ich denke, die Sache mit Bayern wird wahrscheinlich friedlich ablaufen. Wer sollte was dagegen haben?

Aber die TĂŒr sollst du ihnen aufhalten. Und gute Manieren haben. Ihren Geburtstag sollst du dir merken und wenn möglich auch noch die von ihren Eltern, Geschwistern und von der besten Freundin. Und die Romantik darf nicht zu kurz kommen.
Nein, nein, liebe Simone. So geht das nicht. Auch wenn deine kurzen blonden Haare sanft dein Gesicht umschließen und deine großen Augen mich immer noch erwartungsvoll ansehen. Die kleine Stupsnase gibt dir den kleinen sĂŒĂŸen Touch, der mich gestern nach dem Match auch dazu brachte, mit dir mein Bier zu teilen und deine Waden zu massieren. SpĂ€ter trug ich dich dann Huckpack die Treppen hoch, weil du völlig ausgepowert warst.

Da arbeitet die Natur doch mit ganz miesen Tricks. Es ist doch so: dem Mann siehst du doch sofort an, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Ob er das Rudel anfĂŒhrt oder mitlĂ€uft. Du erkennst erfolgreiche JĂ€ger und angeschlagene Omega-MĂ€nnchen. Das ist bei Frauen nicht so. Die sehen niedlich aus, machen auf schutzbedĂŒrftig und geben dir das GefĂŒhl, der große SilberrĂŒcken im Dschungel der Kneipen und Clubs zu sein, wĂ€hrend sie hinterhĂ€ltig bereits ihre Krallen ausfahren und dich im nĂ€chsten Moment ohne Vorwarnung niederstrecken und sich an deinen Eingeweiden laben. Diese Taktik verfolgen die ja auch mit einer biblischen Geduld. In dieser Lauerstellung können die ĂŒber Jahre hinweg ausharren.
Das nennt sich dann Beziehung. Damit machen sie den anderen Raubkatzen klar, dass das ihre Beute ist. Revier abstecken und so.

Was fĂŒr eine gemeine Art. Bei MĂ€nnern weißt du sofort, was die Stunde geschlagen hat. Erst recht, wenn verschiedene AlphamĂ€nnchen am langen Tresen des Wasserlochs auftauchen. Da sind die VerhĂ€ltnisse schnell geklĂ€rt. Oft sogar ohne Blutvergießen. Aber bei einer Frau? Da weißt du doch auch nach 10 Jahren Ehe nicht, ob sie dir im nĂ€chsten Moment mit der Schippe einen Scheitel zieht und dir das Blut aussaugt.

Wenn ich meine Beine und Arme so betrachte, bin ich mir auch gar nicht mehr so sicher, wer von uns beiden da gestern eigentlich das Spiel dominiert hat. Meine Schulter schmerzt und im Nachhinein glaube ich, dass ich öfter im Gras lag, als Ballkontakt zu haben. Wahrscheinlich hab auch nicht ich Simone abgeschleppt, sondern bin völlig ahnungslos in die Falle des gefĂ€hrlichsten Raubtieres auf diesem Planeten getappt. Ich fĂŒhle mich benutzt.

„Und was machst du nun in der Sache?“
Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch. Simone zwinkert mir verschmitzt zu. „TrĂ€umer!“ sagt sie zĂ€rtlich.

„Du solltest jetzt gehen,“ sage ich. „Und denk mal drĂŒber nach, wie es dir gehen wĂŒrde, wenn man dich so hintergeht und auf deinen GefĂŒhlen rumtrampelt!“.
Armes Ding.

Weitersagen: